Diakonie-Serie „Erfolgsgeschichten“: Für Familie Anwari-Habibi ist Integration, Bildung und Arbeit wichtig
Hoya (mah). Die Kinder sollen eine gute Zukunft haben. Das ist das Wichtigste für Ruqia Anwari und ihren Mann Fawad Habibi. „In Afghanistan gibt es diese Zukunft nicht“, sagt die sechsfache Mutter. Sie ist dankbar, in Hoya eine neue Heimat gefunden zu haben.
Es war der 12. April 2014, als Ruqia Anwari mit ihren Kindern in der Grafenstadt ankam. Sie weiß das Datum auswendig. Knapp acht Monate später, am 5. Dezember, kam Fawad Habibi nach.
Afghanistan leidet seit Jahrzehnten unter terroristischen Anschlägen. „Die Sicherheitslage ist schlecht“, formuliert es das Auswärtige Amt. Familie Anwari/Habibi stammt aus der Hauptstadt Kabul und gehört zur muslimischen Minderheit der Schiiten, die von der radikalislamischen Terrororganisation Taliban verfolgt wird.
Die Taliban regierten in Afghanistan bis 2001. seit 2021 sind sie wieder an der Macht. In den 20 Jahren dazwischen unterstützte die Internationale Sicherheitsbeistandstruppe den Wiederaufbau des Landes und bekämpfte die Taliban. Fawad Habibi arbeitete in dieser Zeit mit Deutschen und Amerikanern zusammen. Als Fahrer chauffierte er Soldaten, Ingenieure und Arbeiter, die zum Beispiel Straßen reparierten.
Für die Taliban war Fawad Habibi ebenso wie seine Auftraggeber ein Feind: „Sie drohten mir“, erinnert er sich. „Aber ich musste doch arbeiten und meine Familie ernähren. Meine Kinder waren noch klein. Wir hatten Angst.“
Die Taliban machten ernst. „Mein Chef Wolfgang wurde angegriffen“, sagt Fawad Habibi. „Viele meiner Kollegen wurden verletzt oder starben. Mein Bruder, der auch mit Deutschen gearbeitet hat, bekam einen Streifschuss ab.“Für einen Moment ist es still im gemütlich eingerichteten Wohnzimmer der Familie in Hoya. Fawad Habibi, Ruqia Anwari und ihr Sohn Komail sitzen auf Stühlen, ihre Kinder Asinat und Aliasghar haben auf Sitzkissen Platz genommen. Fawads Blick scheint in die Ferne gerichtet zu sein. „Das war sehr schwer“, sagt er. Und schiebt hinterher: „Aber jetzt sind wir hier.“
Die Familie entschied zu flüchten. Mehr als ein Jahr war sie unterwegs, teils mit dem Flugzeug, teils zu Fuß. Über Iran, Türkei und Griechenland gelangte sie nach Deutschland. „In der Türkei waren wir drei Monate“, erzählt der inzwischen volljährige Komail. „Man musste immer gucken, wie es weitergeht.“
In Griechenland erkannte die Familie, dass es besser war, sich aufzuteilen. „Wir Kinder und unsere Mutter konnten nach Deutschland reisen, aber mein Vater wurde wegen eines Problems mit dem Pass verhaftet und musste für zwei Monate ins Gefängnis“, sagt Komail.
Ruqia Anwari und ihre Sprösslinge landeten erst in Dortmund; über Friedland ging es schließlich nach Hoya. „Es war sehr schwer für mich, allein zu sein, ohne meinen Mann. Ich habe jeden Tag geweint“, blickt die Afghanin zurück.
Heute steht für die Familie fest: „Wir wollen in Hoya bleiben. Das Leben hier ist sehr schön.“ Seit gut einem Jahr haben Eltern und Kinder deutsche Pässe. „Hier gibt es viele, viele nette Leute“, sagt Ruqia Anwari. Bei der Ankunft half ihr, dass sie Englisch spricht. Vor ihrer Hochzeit hatte sie 13 Jahre in Pakistan gelebt und „Englisch und Computer“ gelernt.
Ihr Mann weiß die Vorzüge der Kleinstadt zu schätzen, zum Beispiel, dass die Kinder zu Fuß zur Schule gehen können. „Es war ein bisschen schwer, Arbeit zu finden“, berichtet er und freut sich: „Aber ich habe welche gefunden.“ Erst bei „HelloFresh“ in Verden, nun beim Fahrrad-Großhändler Hartje in Hoya.