Fünf Jahre war Dr. Birgit Klostermeier Regionalbischöfin des Sprengels Osnabrück. Darüber, was diese Zeit geprägt hat, über Reaktionen zu ihrer Entscheidung und über ein Wunschbild von Kirche in 20 Jahren spricht sie aus Anlass ihres Abschieds aus dem Amt.
1. Der Aufgabenbereich einer Regionalbischöfin ist konkret und offen zugleich. Wie würden Sie Ihre Zeit im Amt umschreiben?
Birgit Klostermeier: Leben ist die Fülle und nicht die Dauer – das fällt mir bei meinen letzten fünf Jahren ein. Es war eine dichte, schöne Zeit. Das Amt ist vielseitig. Besuche bei Pastorinnen und Diakonen, bei Kirchenvorständen und Ehrenamtlichen, Gottesdienste: von den Gemeinden mit Liebe und Sorgfalt durchgeführt, Vorträge, Predigten, Generalkonvente, Visitationen, landeskirchliche Kuratorien und Vorstände. Frühe und nächtliche Fahrten übers Land zwischen Hase und Weser, Teutoburger Wald und Diepholzer Moor, und dies bei jeder Jahreszeit...
Besonders lieb waren mir die „Sprengelfrüchte“ – eine Erzählreihe, mit der ich sichtbar machen wollte, wie Menschen sich engagieren. Das hat mir viel Spaß gemacht – und drückt übrigens auch aus, wie ich geistliche Leitung verstehe: Mit anderen unterwegs sein, fördern und stärken, was wachsen will.
2. Gibt es etwas, das Sie in besonderer Weise geprägt hat, etwas, das Sie mitnehmen?
Die Ökumene hier im Osnabrücker Land, vor allem im Reformationsjahr 2017, hat mich persönlich nachhaltig geprägt. Aus vielen Begegnungen heraus habe ich verstanden: Die Zukunft der Kirche muss ökumenisch sein. Auch wenn uns vieles trennt, brauchen wir einander in der spirituellen Vielfalt und Tiefe.
3. Ihre Entscheidung, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen und freiberuflich zu arbeiten, hat sehr unterschiedliche Reaktionen ausgelöst.
„Das geht überhaupt nicht!“, sagte eine Frau mir im Supermarkt zwischen den Gemüseständen. Mit ihrer Meinung war sie nicht allein. Noch mehr ist mir, neben dem Bedauern und der Empörung, allerdings Neugier und Verständnis entgegengebracht worden. Eine als ungewöhnlich empfundene Entscheidung ist offenbar Gesprächsanlass für viele Themen, die die Menschen beschäftigen. So ging es in den Konferenzen mit den Hauptamtlichen schnell um das eigene Amtsverständnis und um die Zukunft der Kirche.
4. Wie sieht sie aus, die Zukunft der Kirche - in 20 Jahren?
Gott sei Dank müssen wir das nicht wissen. Aber mich leitet schon seit Langem ein inneres Bild – vielleicht ist es ein Wunschbild. In 20 Jahren ist die Kirche kleiner geworden und deshalb oder trotzdem stärker.
Sie ist partizipativ. Viele gestalten sie mit, sie ist im Dorf, an der Schule, in Kitas, Krankenhäusern, auf Plätzen und in Betriebshallen. Sie hat heilige Räume als Oasen am Wege, und Herbergen, um einzukehren. Sie ist großzügig und hält es aus, dass manche nur kurz bleiben und wieder gehen. Sie ermöglicht Gemeinschaft für einzelne Generationen und quer zu den Generationen.
Sie feiert das Leben und die Freundlichkeit Gottes. Sie weiß um die Kraft, Verschiedenheit zu überwinden. Sie lebt in und mit ihren Sozialräumen. Sie ist mutig und fürsorglich, politisch wach, interessant und verlässlich. Sie versteht sich nicht über Mitgliedschaft, sondern über das, was sie tut und worauf sie hofft.
5. Haben Sie konkrete Beispiele, wo diese Zukunft schon zu sehen ist?
Ich erinnere mich an Kirchenvorstände, die sich im Wohnzimmer trafen und die absehbare dauerhafte Vakanz einer ihrer Pfarrstellen zum Anlass nahmen, enger zu kooperieren: „Wir machen das ohne die Pastoren, weil wir es sind, die bleiben“, sagen sie. Die haben angefangen, alte Bilder loszulassen.
Ein anderes Beispiel: Ich gehe durch ein neues Gemeindehaus, das alte große, traditionsträchtige, aber baufällige wollen sie abreißen, gegen viel Widerstand im Dorf. Die Ehrenamtlichen erzählen, wie Viele dann doch mitgebaut und mitgedacht haben. Ein buntes offenes Haus ist es geworden. Nun ist es der Stolz des Dorfes. Und für das alte Haus findet sich ein Jahr später tatsächlich eine Lösung.
Im Loslassen, davon bin ich überzeugt, liegt der Anfang.
6. An welcher Stelle gestalten Sie Kirche in Zukunft mit?
Ich möchte beruflich alte Fäden aufnehmen und sie weiterspinnen: Organisationen und Personen beraten, in Bildung und Forschung mich engagieren, dem Evangelium und den Veränderungen der Kirche weiter auf der Spur sein. Nur eben nicht mehr in der Leitungsrolle, aber mit ihrer Erfahrung in der Tasche.
7. Zum Schluss eine klassische Rückblick-Frage: Was werden Sie vermissen?
Die Menschen. Öfter habe ich bei Verabschiedungen von Pastorinnen und Pastoren darauf hingewiesen, dass dieses Amt ein besonderes ist: Es ist Liebe auf Zeit. Wir gehen Beziehungen und Begegnungen ein, sind offen und zugewandt, bringen uns ein, manchmal mit ganzer Seele, und wissen: Es ist begrenzt. Irgendwann ist deine Zeit, hier an diesem Ort, in dieser Stelle zu Ende.
(Fragen: Brigitte Neuhaus)