Pastorin Thekla Röhrs verabschiedet sich, Nachfolgerin wird Anke Orths / Gottesdienst in der Syker Christus-Kirche
SYKE (miu). „Eine ganz große Kraftquelle war für mich immer das viele Lachen“, sagt Thekla Röhrs. „Hier im Haus wird unglaublich viel gelacht. Im ersten halben Jahr, als ich hier anfing, habe ich mehr gelacht als vorher in den 14 Jahren meines Berufslebens als Gemeindepastorin zusammen...“ Der Satz geht noch weiter. Aber wer ihn bis hierhin liest und weiß, dass dieser Arbeitsplatz, von dem Thekla Röhrs da spricht, ein Hospiz ist – noch dazu eins für Kinder und Jugendliche – der wird sowieso noch mal von vorne anfangen und denken, da müsse wohl jemandem beim Zitieren ein grober Fehler unterlaufen sein. Wer Thekla Röhrs aber gegenübersitzt an diesem Ort, an dem sie in den vergangenen sechs Jahren als Seelsorgerin gearbeitet hat, der ist nicht irritiert.
Im Kinder- und Jugendhospiz „Löwenherz“ läuft vieles anders, als ein Außenstehender möglicherweise mutmaßen würde. Der Grund, warum die jungen Gäste und ihre Familien hier herkommen, ist tragisch. Und dass die Arbeit mit todkranken oder sterbenden Kindern, ihren Eltern und Geschwistern hart ist, das muss man niemandem erklären. Trotzdem herrscht im Gebäude und auf dem Gelände eine positive, lebendige, ja sogar wirklich schöne Atmosphäre. Optisch, architektonisch, aber auch im Umgangston.
„Auf der Internetseite von ,Löwenherz‘ steht: ,Wir sind da, wir tragen mit – im Leben und im Sterben‘. Und genauso habe ich es hier erlebt“, erzählt Thekla Röhrs. „Auch für mich selbst. Dass wir nicht nur diejenigen sind, die andere über eine schwere Zeit tragen müssen, sondern dass wir uns im Team auch wirklich gegenseitig tragen.“
Es war eine besondere Zeit. Die Pastorin hat Familien begleitet, getröstet und unterstützt. Gottesdienste, Zeremonien und Rituale angeboten. Taufen und Konfirmationen gemacht. Einige Beerdigungen. Trotzdem eine ganz andere Arbeit als in einer Kirchengemeinde. „Da hat man natürlich auch mit dem Thema Tod und Trauerbewältigung zu tun, aber man ist nicht ganz so dicht dran. Hier lebt man in den Stunden, in denen man im Haus ist, richtig mit den Familien.“ Das zehrt natürlich auch an den eigenen Reserven. Darum ist die Seelsorge-Stelle von vornherein auf maximal sechs Jahre befristet. Die sind für Thekla Röhrs nun um.
Die Pastorin ist gespannt und freut sich auf das, was nun kommt – sie plant ein Studiensemester, in dem sie der Frage nachgeht „Was bedeutet Spiritualität und was ist die Aufgabe von Seelsorge in der deutschen Hospizbewegung?“ – aber der Abschied fällt allen Beteiligten sichtlich schwer. „Ich kann mir Löwenherz noch gar nicht ohne Thekla vorstellen“, sagt Gaby Letzing, die Leiterin des Kinder- und Jugendhospizes. „Auch wenn uns allen klar ist, dass Wechsel zum Leben dazu gehören und ja auch gut und wichtig sind.“
„Die Zeit hat mich verändert. Ich bin freier und kreativer geworden. Weniger ernst.“
Die sechs Jahre haben bei allen Spuren hinterlassen. „Ich behaupte nicht, dass ich vorher völlig anders gewesen bin. Aber die Arbeit hier hat mich schon verändert“, meint Thekla Röhrs. Als Mensch, aber auch als Pastorin: „Ich glaube, dass ich viele Dinge heute nicht mehr nur mit dem Kopf mache, sondern eher mit dem Herzen. Viele Erfahrungen, die ich bei ,Löwenherz‘ gemacht habe, werde ich übernehmen und in meine Arbeit mit einfließen lassen. Bei den Taufen, die ich jetzt mache, fällt mir das zum Beispiel schon auf: Ich benutze eine andere, freiere Sprache. Die Musik, die ich aussuche, ist eine andere. Ich arbeite mehr mit Symbolen. Ich bin freier und kreativer geworden. Auch im Umgang mit Menschen und in Gesprächen.“ Dass sie – so geht der eingangs unterbrochene Satz nämlich weiter – bei ihrer Arbeit als Gemeindepastorin nicht so viel gelacht habe wie in den Jahren im Hospiz „lag ja auch nicht an der Gemeinde“, Thekla Röhrs lächelt, „sondern daran, dass ich selbst damals anders war. Ernster.“
Am kommenden Sonntag, 12. Juni, wird Thekla Röhrs offiziell im 11-Uhr- Gottesdienst in der Syker Christus-Kirche als Seelsorgerin von „Löwenherz“ verabschiedet.
Gleichzeitig wird ihre Nachfolgerin vorgestellt: Pastorin Anke Orths, 51 Jahre alt, gebürtig aus Bassum. Sie hat in Göttingen, Birmingham und Hamburg Theologie studiert und ihr Vikariat in Hannover-Ricklingen gemacht. Zwischendurch hat sie im Krankenhaus und in der Hauspflege gearbeitet, einen Sohn bekommen, der heute erwachsen ist. Sie hat sich zur Referentin für Sozialmanagement weiterqualifiziert, eine Ausbildung für „Integrierte Familienorientierte Beratung“ mit einem tiefenpsychologischen Ansatz absolviert und war zusätzlich als Lebensberaterin in verschiedenen Kirchenkreisen tätig. Zuletzt arbeitete sie als Pastorin in Idensen.
„Was ich mache, das mache ich mit ganzem Einsatz. Lau kann ich nicht.“
Die Seelsorgestelle im Kinder- und Jugendhospiz in Syke ist eine Vollzeitstelle, zu einem Viertel von der Landeskirche finanziert, die restlichen drei Viertel trägt „Löwenherz“ selbst. „Das zeigt, wie viel uns professionelle Seelsorge wichtig ist“, betont Hospiz-Leiterin Gaby Letzing.
Anke Orths ist darauf vorbereitet, dass sie ein engagiertes Team, eine anspruchsvolle, herausfordernde Arbeit, eine auf allen Ebenen intensive Zeit erwarten. Kein gewöhnlicher Job, den man mit halber Anstrengung nebenbei erledigt. Und sie freut sich drauf: „Dass es eine Aufgabe ist, die einem viel abverlangt, war mir ja von Anfang an klar. Aber das ist gut, und es passt zu meiner Auffassung“, findet sie. „Das, was ich mache, mache ich mit ganzem Einsatz. Lau kann ich nicht.“
Die Gelegenheit, mit beiden Pastorinnen ins Gespräch zu kommen, gibt es nach dem Gottesdienst in der Syker Kirche beim anschließenden Empfang.
Miriam Unger