Aktionswoche der Diakonie-Schuldnerberatung in der Region rückt das Thema „Geldsorgen und Gesundheitsbelastung“ in den Fokus
LANDKREIS (miu). „SCHULDEN machen KRANKheit macht SCHULDEN“ steht auf dem Plakat, das Schuldnerberaterin Ute Strathmann gerade in den Wartezimmern des Diakonischen Werks aufgehängt hat. Die diesjährige Aktionswoche der Sozialen Schuldnerberatung rückt in der kommenden Woche ein von vielen unterschätztes Thema in den Blick: Den Zusammenhang zwischen finanzieller, seelischer und körperlicher Notlage. Ein Teufelskreis, den die Diakonie-Mitarbeiter in der Region in ihren Arbeitsfeldern oft erleben.
In der Zeit vom 6. bis 10. Juni möchte der soziale Fachdienst daher nicht nur auf die wirtschaftlichen Auswirkungen von privaten Überschuldungen aufmerksam machen, sondern auch auf die gesundheitlichen Probleme, die Schulden entstehen lassen. Oder die durch Schulden entstehen.
Oft ist es eine Krankheit, die am Anfang der Kette aus Problemen steht. „Krankheit ist ein wesentlicher Auslöser für die Entstehung einer Überschuldungssituation“, diese Erfahrung machen Ute Strathmann und ihre Kollegen häufig. Laut Bundesamt für Statistik resultiert etwa jede zehnte Überschuldung aus einer Erkrankung, einer Sucht oder einem Unfall.
Die Betroffenen verlieren gesundheitsbedingt ihre Arbeit und geraten in finanzielle Schwierigkeiten. Oder die Kosten für Fahrten, Behandlungen, Medikamente; die Betreuung und Unterbringung von Kindern während der Arzttermine oder Krankenhausaufenthalte stellen sie vor große Probleme.
In anderen Fällen ist es so, dass die schwierige finanzielle Situation die Betroffenen krank macht. „Überschuldete sind überdurchschnittlich häufig in ihrem Gesundheitszustand beeinträchtigt – laut Statistik haben sie im Vergleich zu Menschen ohne Schulden ein zwei- bis dreifach höheres Risiko, krank zu werden. Als Reaktion auf die finanzielle Krise kommt es oft zu psychischen, physischen und psychosomatischen Leiden“, weiß Ute Strathmann. „Außerdem beeinflusst die finanzielle Notlage und die damit verbundene eingeschränkte soziale Teilhabe in vielen Fällen das Gesundheitsverhalten der Menschen auch wieder negativ. Insbesondere in Richtung ungesünderer Ernährung und Bewegungsmangel.“
Doch gleichgültig, ob das finanzielle oder das gesundheitliche Problem das andere nach sich zieht – die Betroffenen geraten in beiden Fällen einen Teufelskreis, aus dem sie selten alleine wieder herausfinden. „Mittellose Menschen haben in der Regel weniger Möglichkeiten, sich mit angemessenen Gesundheitsleistungen zu versorgen. Sie lösen ärztliche Rezepte nicht ein, weil sie die Zuzahlungen für Medikamente nicht aufbringen können“, diesen Fall erleben die Diakonie-Mitarbeiter in ihren Sprechstunden in der Region oft. „Zudem sind sie schlecht über kostenlose Gesundheitsleistungen oder Vorsorgeuntersuchungen informiert und nehmen solche Angebote daher nur selten in Anspruch.“
Das deutlich erhöhte Krankheitsrisiko schwäche in vielen Fällen die Handlungsfähigkeit und die Selbsthilferessourcen der Klienten, erklärt Schuldnerberaterin Ute Strathmann. „Und das gefährdet dann leider auch den Erfolg und Sinn einer Beratung.“
Die Aktionswoche soll in der Region auf die Problematik „Krankheit und Schulden“ aufmerksam machen, während die „Arbeitsgemeinschaft Schuldner- und Insolvenzberatung“ auf Landesebene in der kommenden Woche in Berlin an politischen Lösungsvorschlägen arbeitet.
„Eine gelingende Hilfe muss nicht nur die finanziellen Probleme, sondern zwingend auch die gesundheitlichen Belastungen, insbesondere psychische Stressfaktoren, bearbeiten“, sagt Matthias Bruckdorfer, Sprecher der „Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände“ (AG SBV). „Dazu sind besonders zwei gesellschaftliche Handlungssysteme geeignet: Zum einen der Gesundheitsbereich, zum anderen die Soziale Arbeit. Beide Hilfesysteme können dazu beitragen, dass sich das subjektive Wohlbefinden, das gesundheitsrelevante Verhalten und generell die Gesundheitschancen Überschuldeter verbessern. Daher bearbeitet die Soziale Schuldnerberatung auf der Basis ihres dualen Professionalitätsverständnisses sowohl die wirtschaftliche Notlage als auch die mit einer Überschuldung verbundene psychosoziale Destabilisierung.“
Im Gesundheitssystem könnten etwa die Krankenkassen spezielle Programme für Überschuldete zur primären Krankheits-prävention und Gesundheitsvorsorge vorhalten. „Im Idealfall arbeiten dabei die Soziale Arbeit und der Gesundheitsbereich Hand in Hand“, wünscht sich Bruckdorfer. „Dafür müssen die konzeptionellen und gesetzlichen Rahmenbedingungen in beiden Systemen ausgeschöpft und erweitert werden. Sowohl die Krankenkassen als auch die Schuldnerberatung brauchen für diese Aufgabe eine bedarfsgerechte Finanzierung. Und darum bemühen wir uns in den nächsten Tagen.“