Lothar Dreyer ist ab Juni nicht mehr Asendorfs Pastor. Er übernimmt die Altenheimseelsorge in Syke und Vakanz-Vertretungen im Kirchenkreis.
ASENDORF/SYKE. Auf der Einladung ist die Sankt-Marcellus-Kirche in Asendorf zu sehen, daneben zwei Fotos. Vom linken lächelt ein kerniger, junger Pastor mit dunklen Haaren und Vollbart. Vom rechten sein ziemlich exaktes Spiegelbild ��– nur die Haarfarbe ist verändert, der Bart ab und die Bildqualität deutlich besser. Zwischen den beiden Fotos liegen 28 Jahre.
In und um die Kirche herum ist in dieser Zeit viel passiert. Das alte Gebäude selbst hat sich auf den ersten Blick kaum verändert. Genauso wenig wie das Lächeln und der Gesichtsausdruck des Mannes im Talar, der am Sonntag, 3. Mai, um 15 Uhr in der Sankt-Marcellus-Kirche verabschiedet wird.
Lothar Dreyer war lange Asendorfs Pastor. Nicht bloß Pastor in Asendorf. Es war seine erste Pfarrstelle. Die Gemeinde hat ihn geprägt und er die Gemeinde. Egal, was in den vergangenen drei Jahrzehnten im Ort geschah – Dreyer war dabei. Bei Ratssitzungen, Veranstaltungen und Festen; bei allem, was es zu feiern oder zu betrauern gab. Dass der 58-Jährige noch mal etwas anderes machen würde als Asendorfs Gemeindepastor zu sein, hatte niemand so recht erwartet.
Die Nachricht überraschte die Asendorfer Anfang des Jahres. „Alle hatten damit gerechnet, dass ich bis zum Ruhestand bleibe. Ich fühle mich ja auch wohl und habe hier meine Heimat gefunden“, sagt Lothar Dreyer. „Aber die neue Aufgabe hat mir noch mal die Möglichkeit eröffnet, in ein anderes Arbeitsgebiet einzutauchen, das mich interessiert. Und dabei trotzdem hier bleiben zu können.“
Ab Juni wird Lothar Dreyer als Altenheimseelsorger in Syke und Barrien arbeiten und Vakanz-Vertretungen im Kirchenkreis Syke-Hoya übernehmen. „Altenseelsorge finde ich ein spannendes Feld. Ich habe Lust, mich damit noch intensiver zu beschäftigen. Ein starkes Argument für diese Stelle war auch, dass ich mich zwar verändern, aber trotzdem in der Region und in meinem Umfeld bleiben kann“, erzählt er. „Ich wohne weiter in Asendorf. Ich kann Vorsitzender im Kirchenkreistag bleiben. Und in meiner Kartenrunde. Und ich möchte auch weiter im Förderverein des Jugendhauses mitarbeiten – wenn das dem Nachfolger, der eines Tages kommt, recht ist.“
Amtshandlungen wie Beerdigungen und die Jubelkonfirmation übernimmt Lothar Dreyer noch in diesem Monat. Ab Juni wird dann erst mal die Vilser Pastorin Birgit Grohs die Vakanz-Vertretung in Asendorf machen. Ein fester Nachfolger ist noch nicht in Sicht. „Es bleibt auf jeden Fall eine volle Stelle, und die ist auch ausgeschrieben. Aber wir hatten jetzt 16 Studienabgänger im Predigerseminar in Loccum, davon gehen allerdings nur neun wirklich ins Pfarramt. Und leider gibt es Gemeinden, die eher besetzt werden müssen, weil sie schon eine sehr lange Vakanz haben“, bedauert Lothar Dreyer. „Es sei denn, es sagt einer: ,Ich will aber unbedingt nach Asendorf‘…“
Gründe dafür könnte er den jungen Kollegen haufenweise nennen. „Der entscheidendste ist das Miteinander hier – sowohl mit den Gemeindemitgliedern, als auch mit den Vereinen und Verbänden. Außerdem herrscht ein außergewöhnlich gutes Klima für ehrenamtliche Arbeit. Vor allem in den Außendörfern. Vielleicht ist das noch so ein Nachklang der früheren Nachbarschaftshilfe. Wir hatten jedenfalls nie Probleme, Leute zu finden. Es gibt ganz viel, was hier von Ehrenamtlichen selbstständig gemacht und geleitet wird: Senioren- und Männerkreis, Krabbelgruppen, die Kinderkirche, der Büchertischkreis, Gitarren- und Musik-Gruppen, ein sehr guter Chor… Erstaunlich, was hier alles los ist. Darauf kann der oder die Neue auf jeden Fall sehr gut aufbauen.“
Hat er denn keine Bedenken, dass auch weiterhin Menschen aus der Gemeinde mit Beerdigungs-, Trauungs- oder Besuchswunsch-Anfragen bei ihm klingeln, wenn er im Ort wohnen bleibt? „Nein, das wird nicht so sein, weil ich hier ja keine Gottesdienste und keine Amtshandlungen mehr mache. Und auch nicht mehr im Pfarrhaus wohne“, meint Lothar Dreyer. „Natürlich fällt es mir schwer, wenn jetzt Goldene Hochzeiten oder die Silbernen Konfirmationen anstehen, dass ich nicht mehr als Pastor dabei bin. Aber das darf ich nicht mehr, das ist so geregelt. Ich bin raus. Punkt. Aus.“
Was waren seine persönlichen Highlights in den zurückliegenden Jahren? „Das Jugendhaus war mir immer wichtig. Dass wir den jungen Leuten dort einen Treffpunkt geben. Und das hat in der Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Leiter Hans-Werner Weber sehr gut geklappt.“ Dreyer zählt noch ein paar andere Projekte auf: Die beiden neuen Glocken für die Kirche. Der Austausch mit der Partnergemeinde in Frankenstein/Sachsen. Die Photovoltaikanlage auf dem Gemeindehaus, für die viele aus der Gemeinde gespendet haben. „Aber das größte Highlight in der ganzen Zeit“, findet er, „war eigentlich immer das Leben mit den Menschen hier.“
Seine Entpflichtung als Gemeindepastor am Sonntag wird noch mal ein emotionaler Moment. „Wenn ich mir etwas wünsche an diesem Tag, dann ein Gruppenbild mit allen auf dem Kirchplatz!“ Lothar Dreyer strahlt. „Wir haben das schon mal gemacht – damals für den Kollegen aus unserer Partnergemeinde in Brasilien. Über so eine bleibende Erinnerung würde ich mich wirklich freuen.“
Danach freue er sich dann aber auch auf den neuen Lebensabschnitt. „Ich bin gespannt auf die Bewohner, Mitarbeiter und Träger der Altenheime. Ich werde viele Gespräche führen, Gottesdienste, Sterbebegleitung und Beerdigungen machen. Eine Andacht mit Dementen zu gestalten ist für mich eine Herausforderung. Und die Aufgabe, wie sich Kirche und Glaube in einem Pflegeheim einbringen lassen �– neben Freizeitangeboten wie Bingo. Das wird spannend. Ich verstehe unser Angebot ganz einfach als Hilfe zum Leben.“
Und auf dem Gebiet bringt er als Gemeindepastor natürlich eine Menge Erfahrung mit: „In unserem Beruf darf man keine Allergie gegen Menschen haben. Wenn man etwas lernt in so vielen Jahren als Gemeindepastor mit all den Geburtstagsbesuchen“, sagt Lothar Dreyer, „dann, wie man miteinander ins Gespräch kommt. Auch, wenn es mal schwierig ist. Aber darum geht es ja in der Seelsorge: Sich für Menschen zu interessieren, zuzuhören und sie selbst zum Sprechen zu bringen. Keiner sagt sofort: ,Mir geht’s schlecht‘, ,Ich hab Eheprobleme‘ oder ,Das Miteinander im Haus klappt nicht‘. Man kommt oft erst auf einer Smalltalk-Ebene in Kontakt. Aber wenn der andere merkt, dass man sich mit ihm beschäftigt und dass es nicht bloß oberflächliche Freundlichkeit ist, dann kann es auch weiter in die Tiefe gehen. Eine Seelsorge-Theorie sagt: Allein, dass man Interesse an einem anderen Menschen zeigt, kann schon heilende Kräfte auslösen.“
Miriam Unger 30.04.2015