Header "Aktuelles"

'

Muss was an den Strukturen nicht stimmen

Nachricht Harpstedt, 16. Februar 2012

Benefizvortrag Rainer Eppelmann fesselt 120 Zuhörer mit Erinnerungen an seinen Alltag in der Diktatur

Rainer Eppelmann
Rainer Eppelmann (von links), Edith Heckmann vom Förderkreis Soziale Schuldnerberatung, Axel Knoerig (CDU) und Superintendent Dr. Jörn-Michael Schröder BILD: Bettmann NWZ

Es war ein Abend zugunsten der Schuldnerberatung. Gut 430 Euro kamen zusammen.

Harpstedt - (von Marén Bettmann, NWZ) Diktatur oder Demokratie? Diese Frage zog sich wie ein roter Faden durch den Vortrag eines Mannes, für den die Antwort längst eindeutig ist: Rainer Eppelmann, einstiger DDR-Bürgerrechtler und Pastor, bot dem sozialistischen SED-Regime jahrelang die Stirn und brachte den demokratischen Aufbruch in der ehemaligen DDR mit voran. Am Dienstag 14.02.2012 hielt der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete (1990-2005)  in der Harpstedter Christuskirche einen Benefizvortrag zugunsten der sozialen Schuldnerberatung des Diakonischen Werks über seinen Alltag in der Diktatur. Gut 430 Euro kamen dabei für die gute Sache zusammen.

Edith Heckmann, Sprecherin des Förderkreises soziale Schuldnerberatung in den evangelischen Kirchenkreisen Syke-Hoya und Diepholz, begrüßte den 69-Jährigen. Den Kontakt hatte CDU-Bundestagsabgeordneter Axel Knoerig aus Kirchdorf (Kreis Diepholz) hergestellt, der ebenso im Publikum saß wie Superintendent Dr. Jörn-Michael Schröder (Syke). Der Theologe moderierte die anschließende Fragerunde. Musikalisch umrahmt wurde der Abend vom Gospelchor der Harpstedter Kirchengemeinde.

Der gelernte Prediger Eppelmann, der auf Manuskript und Bibelworte verzichtete, versuchte, die gut 120 Zuhörer in das Denken und die Gefühle der Menschen hineinzuversetzen, die mehr als 40 Jahre von einem Machtapparat bevormundet, gegängelt, eingesperrt wurden. „Wie muss sich der mittelständische Unternehmer gefühlt haben, der von einem Tag auf den anderen enteignet wurde, oder der Landwirt, der gezwungen wurde, sein Vieh abzugeben?“ Was DDR-Bürger dachten, wenn sie heimlich West-Fernsehen guckten, gab der gebürtige Berliner Eppelmann so wieder: „Mann, jeht denen dat da aber jut.“ Später sei die Erkenntnis gekommen: „So viel besser sind die nicht als wir, dann muss was an unseren Verhältnissen, Bedingungen, Strukturen nicht stimmen.“

Da öffentliche Demonstrationen nie genehmigt wurden, so der heutige Vorstandsvorsitzende der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, hätten sich Menschenrechtsgruppen in den Kirchen gebildet. Die Gotteshäuser waren die einzigen Orte, die einer Ausnahmeregelung von der strengen Veranstaltungsordnung unterlagen.

Eppelmann, Minister für Abrüstung und Verteidigung in der letzten DDR-Regierung, bedauerte, dass heutzutage der Geschichtsunterricht in vielen Schulen mit dem Jahr 1948 ende. Er appellierte: „Wir müssen unseren Kindern vermitteln, dass Demokratie der einzige Weg ist, gleiche Chancen zu bekommen.“ Für ihn sei Demokratie so kostbar, dass er sich wünsche, mindestens 93 Jahre zu werden: „Als die DDR aufhörte zu existieren, war ich 46, und ich möchte länger in einer Demokratie leben als in einer Diktatur.

NWZ-Online