Strukturveränderungen kommen auf viele kirchliche Mitarbeiter zu. Dies zog sich wie ein roter Faden durch die Rede-Beiträge bei der jährliche Versammlung der Kirchenmitarbeiter am vergangenen Mittwoch im Syker Gemeindehaus. Über 100 Erzieherinnen von kirchlichen Kindertagesstätten und Pflegerinnen in Diakoniesozialstationen, Kirchenmusiker und Küster, Verwaltungsmitarbeiter und Diakone, Pfarrsekretärinnen und Raumpflegerinnen waren der Einladung ihrer Mitarbeitervertretung (MAV) im evangelischen Kirchenkreis Syke-Hoya – so eine Art kirchlichem Betriebsrat – gefolgt. Gastrednerin war Oberkirchenrätin Dr. Kristin Bergmann vom Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) aus Hannover zum Thema Familienfreundlichkeit in der Kirche.
Marlies Lührs, Vorsitzende der MAV im Kirchenkreis, beklagte, dass der Informationsfluss noch nicht gut genug sei. Sie berichtete, dass sie im Kirchenkreistag bei den Kirchenvorständen für eine „vertrauensvolle und partnerschaftliche Zusammenarbeit in der Dienstgemeinschaft“ geworben habe. Im Bereich der Kindergärten, Diakoniesozialstationen und des Kirchenkreisamtes ständen Strukturveränderungen an. Die MAV wolle sich dafür einsetzen, dass den dort beschäftigen Kollegen und Kolleginnen möglichst keine Nachteile entstünden, so Lührs.
Superintendent Dr. Jörn-Michael Schröder als Kopf der Arbeitgeberseite stellte sich erstmals bei der Vollversammlung vor und lud die Mitarbeitenden ein, sich bei ihm bei Konflikten zu melden. Er gehe in der Stellenplanung fest davon aus, dass es weiterhin keine betriebsbedingten Kündigungen geben werde. „Als Kirche insgesamt stehen wir in einen umfassenden Umstrukturierungsprozess“, meinte der leitende Geistliche. Überlegt werde ein Kindertagesstättenverband, um angesichts des demografischen Wandels „Arbeitsplätze absichern zu können“, so Schröder. Auch Diakoniesozialstationen ständen unter Druck. Bei Chorleitern werde über die neue Kirchenmusik-Stiftung versucht, Stellen zu erhalten. Ein Schulungsvormittag für Pfarrsekretärinnen wurde ortsnah angeboten und soll wiederholt werden. Die Vernetzung der Küster, die der Bassumer Küster Heino Raven initiiert habe, begrüße er sehr.
Dann sprach Diakon und Suchttherapeut Andreas Miehe aus Verden, der Mitglied in der wichtigen Arbeits- und dienstrechtlichen Kommission der niedersächsischen Landeskirchen ist, die mit den kirchlichen Arbeitgebern Tariffragen aushandelt. Er berichtete von einem „Machtgerangel“ der Arbeitnehmerorganisationen im Vorfeld der Neubildung der Kommission. Zurzeit sei man in einem Schlichtungsverfahren über die Frage, ob Arbeitnehmer Bewährungszeiten nach einem Anstellungsträgerwechsel innerhalb der Kirche „mitnehmen“ dürfen oder – so der neue Tarifvertrag Land Niedersachsen (TV-L) – nicht.
Oberkirchenrätin Bergmann von der EKD beklagte, dass nicht einmal in der Hälfte der Einrichtungen, Werke und Dienststellen der EKD besondere Maßnahmen zur Familienfreundlichkeit ergriffen worden seien. Aber durch ein Audit der Hertie-Stiftung sei man auf einem guten Weg und probiere nun einiges aus. In Politik und Wirtschaft habe man vielerorts verstanden, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie eine Schlüsselfrage sei, auch angesichts eines bevorstehenden Fachkräftemangels. Viele junge Frauen wollten beides vereinbaren und immer mehr junge Männer wollten eine aktivere Rolle in der Erziehung der Kinder spielen als in der Vergangenheit, so Bergmann. Familienfreundlichkeit lohne sich für Unternehmen, weil sie erfolgreicher seien; Motivation, Bindung und Effektivität bei Mitarbeitern und vor allem Mitarbeiterinnen erhöhe sich, Fehlzeiten und Fluktuation nähmen ab, sagte Bergmann. Bei den 700.000 Beschäftigten in den evangelischen Landeskirchen in Deutschland arbeiteten zu Dreiviertel Frauen (Bundesdurchschnitt 45 Prozent), und mit 40 Prozent doppelt so viele wie im Bundesdurchschnitt auf Teilzeitstellen. Die evangelische Kirche sähe Ehe und Familie als gute Gaben Gottes und formuliere ethische Maßstäbe, werde aber nur zum Teil diesen Maßstäben selbst gerecht. Zu verbessern sei die Information, was zu tun ist, wenn ein Angehöriger plötzlich pflegebedürftig wird. Kirchliche Arbeitgeber sollten den Rückkehr-Bedarf bei Angestellten in Elternzeit besser feststellen.
Bei vielen kirchlichen Arbeitsplätzen könnten Arbeitszeit, -ort und -Organisation flexibler werden. Als Servicemaßnahmen könnten Belegplätze in einer Kindertagesstätte oder Tagespflegeplätze für Angehörige vorgehalten werden. „Vieles ist möglich, wo ein echter Wille ist“, sagte Bergmann.
Gunnar Schulz-Achelis