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MdB in der Prüfung bei der Schuldnerberatung

Nachricht Syke, 17. September 2010

Rauchende Köpfe und Prüfungsstress in der sozialen Schuldnerberatung Syke: Der Bundestagsabgeordnete Axel Knoerig, Superintendent Dr. Jörn-Michael Schröder, Förderkreissprecherin Edith Heckmann und Diakoniepastorin Dagmar Brusermann machten eine ungewöhnliche „Führerscheinprüfung“. Sie füllten am kürzlich den Prüfungsbogen für den „großen Finanzführerschein“ aus, der jetzt im evangelischen Kirchenkreis Syke-Hoya in einigen Schulen erprobt wird.

Die „Prüflinge“ hatten zuvor ein Schülerheft in modernem Layout und mit peppigen Bildern erhalten, in dem in jugendgemäßer Sprache Themen wie Bürgschaften und Gefahren beim Internetgeschäften, Versicherungen und Handyverträge, Kredite und volle Geschäftsfähigkeit erläutert werden. Und dieses Wissen brauchten auch die Prüflinge, als ihnen Schuldnerberaterin Sabine Fischer-Garvey mit ernster Miene den Prüfbogen – ebenfalls im jugendgemäßem Layout und im Stil von Führerschein-Prüfbögen – verteilte. Kniffelige Fragen waren dabei und regten eine Diskussion zum Umgang mit Geld bei den „Promis“ an. Schröder scherzte mit Blick auf Knoerig: „Ich habe ihn schon in der Schule nicht abschreiben lassen“. Schröder und Knoerig hatten einst zusammen Abitur gemacht. Um es vorweg zu sagen: Die zwei Frauen und Männer bestanden ihre Prüfung und erhielten ein Zertifikat.

Zuvor hatten sie aber auch missverständliche Fragen und unscharfe Antwortmöglichkeiten ausgemacht und diskutiert. Fischer-Garvey hat mit Interesse die Anregungen aufgeschrieben: Sie könnten in überarbeiteten Prüfbögen berücksichtigt werden, wenn das innovative Projekt im Landkreis Diepholz –  und vielleicht auch darüber hinaus – an Schulen im großen Stil umgesetzt werden sollte.

Die Promis staunten nicht schlecht, dass Jugendliche unter 18 Jahren für einen Kredit nicht nur die Zustimmung der Eltern, sondern auch des Vormundschaftsgerichtes haben müssen. Superintendent Schröder meinte: „Das muss man wissen“ als er ankreuzen sollte, ob das Existenzminimum für Essen, Kleidung und das Notwendigste  nicht 250 bis 330 oder 400 bis 450 Euro laut Sozialgesetz beträgt, sondern 360 bis 380 Euro. Knoerig erfuhr, dass man Zeitungsbestellungen im Internet nicht – wie bei anderen Waren – innerhalb von 2 Wochen widerrufen kann. Er regte an, auf die Frage, welche Versicherungen junge Leute brauchen, statt der lustigen Antwort „Volljährigkeitsversicherung“ besser „Berufsunfähigkeitsversicherung“ reinzuschreiben. Richtig ist auf jeden Fall „Privathaftpflicht“.

Schröder bilanzierte: „Das Leben der Jugendlichen ist komplizierter geworden. Vieles gab es zu meiner Zeit noch nicht“. Knoerig regte an, Kontakt mit dem Land Niedersachsen für das Projekt aufzunehmen. Denn die Vorlagen stammen von der Schuldnerhilfe Essen, die zusammen mit dem Land Nordrhein-Westfalen mit großen Erfolg diese „Prüfungen“ in Schulen durchführt.

Zum einen gibt es den „kleinen Finanzführerschein“ ab Klasse 8 und den großen ab Klasse 10. Idealerweise würde Fischer-Garvey eine 8. Klasse eine Stunde besuchen und unterrichten, eine weitere Stunde könnte ein Bankvertreter als Kooperationspartner übernehmen. Dann wäre der Lehrer eventuell mit einer Stunde dran und dann käme sie zur „Prüfung“. Zwei Jahre später könnte das noch mal so laufen, um das zu festigen und um es um Themen wie volle Geschäftsfähigkeit zu erweitern. Zum Abschluss nähme die Schuldnerberaterin die Prüfung zum große Finanzführerschein ab. Die Jugendlichen könnten das Abschluss-Zertifikat gut Bewerbungsmappen beilegen; möglich Arbeitgeber wüssten dann, dass der Bewerber wichtige Grundregeln im Umgang mit Geld kennt.

Die jugendgemäßen Lern- und Prüfungsmaterialien würden unter anderem Volksbank und Oldenburgische Landesbank (OLB) finanzieren. Superintendent Dr. Jörn-Michael Schröder wies daraufhin, dass es für das Projekt auch nötig wäre, die zusätzlichen Unterrichtsstunden von Sabine Fischer-Garvey aus neuer Quelle zu finanzieren. Diakoniepastorin Brusermann erläuterte, dass die Stunden mit der Schuldnerberaterin auch wichtig seien, damit Jugendliche mit ihr in Kontakt kommen und sie dann auch eigene Verschuldungsprobleme ansprechen. Die wenigsten Jugendlichen kämen von sich aus in die Beratungsstelle.

Der Finanzführerschein werde jetzt von Fischer-Garvey mit 10 Unterrichtseinheiten erprobt, unter anderem in der KGS Brinkum und der Ganztagsschule Syke. Das Projekt passe zudem gut zur gerade gelaufenen Diakoniewoche, die speziell Jugendliche und ihre Fragen und Probleme unter dem Slogan „Glaub an mich!“ in den Blick nehme.

Gunnar Schulz-Achelis