Die Zahl war ein Schock: 800 Euro stand auf der Rechung, die der junge Rekrut mit seinen 320 Euro Wehrsold in den Händen hielt. Torben Decker ist der Schreck noch anzumerken, wenn er heute von dieser Zeit erzählt. Der heute 23-jährige Syker ist unversehens in eine Schuldenfalle getappt und hat heute wieder eine Perspektive – Dank der Beratung durch die soziale Schuldnerberatung des Diakonischen Werkes. Der heutige Auszubildende muss erst zurückzahlen, wenn er ein richtiges Einkommen hat.
„Mein großer Fehler war, dass ich das telefonisch gemacht habe“ sagt Torben Decker rückblickend. Ein großer deutscher Telefonanbieter unterbreitete ihm am Hörer ein Angebot, das er so verstanden hat: Er kann monatlich soviel telefonieren und SMS schreiben, bis 25 Euro verbraucht sind; dann wird gesperrt. Das Angebot fand Torben Decker gut und ließ sich die SIM-Karte für sein Handy schicken. In seiner Grundwehrdienstzeit telefonierte er viel. Nach 2 Monaten kam die erste Rechnung mit 800 Euro. Trotz der Kündigung lief der Vertrag natürlich die übliche Laufzeit von 2 Jahren weiter. Anwaltskosten des Telefonanbieters und Gebühren für Bearbeitung, Betrieb und Kündigung des Handyvertrages kamen dazu. Das Arbeitsamt hatte ihm zuviel überwiesen und verlangte nun 360 Euro zurück. Plötzlich hatte Torben Decker auf der einen Seite kein festes Einkommen, auf der anderen Seite aber 1800 Euro Verbindlichkeiten und eine Mappe voller Mahnbescheide. „Der viele Papierkram – ich stieg da nicht mehr durch!“ Inzwischen hat er gelernt, dass er einen Handyvertrag nicht unterschreiben muss, sondern es reicht die SIM-Karte einzulegen und die erste SMS bekommen zu haben. „Es ist so lange her, da kann man nicht gegen angehen“, stellt er heute nüchtern fest.
Zur gleichen Zeit kam der Frust mit seinen 350 Bewerbungen, auf die hin er nur drei Bewerbungsgespräche hatte – und die blieben ohne Erfolg. „Ich habe in allen möglichen Berufen gesucht“ erinnert sich Decker. Über das Institut für angewandte Pädagogik (IfaP) in Syke fand er schließlich einen Ausbildungsplatz als Fachlagerist, musste aber oft allein in einer unbeheizten Hale das Lager fegen und Silber polieren; und die Bundesausbildungshilfe weist als festen Satz 310 Euro im Monat aus. Er machte zusätzliche Jobs und lieh sich Geld von Freunden, um seine Schulden abbezahlen zu können. Aber das ging nur langsam und es kamen weiter Mahnungen.
Eine Tante erzählte ihm, dass es die Schuldnerberatung gibt und er war überrascht, dass sie in Syke in der Herrlichkeit 24 so nahe liegt. Zunächst hatte er Angst, dass auch die Beratung wieder etwas kosten könnte. Aus dem Internet erfuhr er, dass die Beratung nichts kostet. Schnell war ein erstes Gespräch mit Schuldnerberaterin Sabine Fischer-Garvey vereinbart. „Wir haben 2 Stunden gebraucht und uns erst mal kennen gelernt. Wir haben uns die Unterlagen angeguckt und geschaut, wie die Schulden zu Stande gekommen sind. Da schwirrt einem erst einmal der Kopf“, erinnert sich die Sozialpädagogin. Als „Hausaufgabe“ hat Decker dann zusammen mit seinen Eltern eine Schuldnerliste mit den ausstehenden Beträgen und einen Haushaltsplan mit seinem Einkommen und den üblichen Ausgaben gemacht. Schnell wurde klar: er kann zurzeit nicht zurückzahlen. Sein Kindergeld liefert er zu Hause ab für Essen und Unterkunft. Am Ende bleiben 90 Euro monatlich übrig, um sich auch mal etwas Kleines zu leisten. „Ich komme damit hin“ sagt er. Nach der Beratung kann er sagen: „Es war eine großer Erleichterung für mich. Ich muss mich von Post nicht mehr einschüchtern lassen.“
Decker hat gelernt, den Schuldnern eine Kopie seiner Lohnabrechung zu schicken – und alle stunden ihm nun seine Schulden. Auch als vorletzte Woche der Gerichtsvollzieher kam, hatte er keine Angst mehr, denn Torben Decker weiß, dass bei ihm nichts zu holen ist. Er war überrascht, dass auch seine Eltern den Besuch des Beamten „entspannt gesehen“ haben. Seine Eltern und die Schuldnerberatung unterstützen ihn sehr auf seinem neuen Weg. Inzwischen hat er einen neuen Arbeitgeber und kann dort seine Ausbildung fortsetzen, will sogar noch ein Jahr dranhängen und sich zur Fachkraft für Lagerlogistik ausbilden lassen. Seinem Chef, den er sehr schätzt, hat er offen von seinen Schulden erzählt. Die sind zwar nicht weg, aber die Angst.
Gunnar Schulz-Achelis