„Dann bringen Sie meine Mutter irgendwie unter die Erde. Ich kann nicht kommen, weil ich einen Geschäftstermin habe“. Solche Sätze hat nicht nur Pastor Holger Tietz aus Leeste am Telefon gehört, auch andere Pastoren und Bestatter. Bestattungen im Friedwald oder das Verstreuen der Asche an einem Hawaiistrand – Superintendent Dr. Jörn Michael Schröder führte die zunehmenden Möglichkeiten von Bestattungen vor Augen in seiner Begrüßung für eine ungewöhnliche Kirchenkreiskonferenz am Mittwoch in Syke.
Neben Pastoren, Diakonen und Kirchenmusikern waren auch acht Bestatter, dazu kirchliche Verwaltungsleute und Kirchenvorsteher gekommen, die in ihrer Gemeinde Vorsitzender des Friedhofsausschusses sind. Die 45 Teilnehmer hörten und diskutierten „Entwicklungen und Veränderungen in der Bestattungskultur“. Das Eingangsreferat zum Thema hielt Landschaftsgärtnerin Dagmar Kuhle vom Museum für Friedhofskultur in Kassel.
Sie stellte folgende Trends fest: Immer mehr pflegelose Gräber werden gewünscht, was die Bestatter und Friedhofsexperten auch für die hiesige Region bestätigen konnten. Seit es auf vielen Friedhöfen diese Angebote gibt – als Gemeinschaftsgrabstelle mit Namensstele oder mit im Rasen eingelassenen Grabplatten – nimmt die Zahl der anonymen Bestattungen wieder ab. Es gebe eine Tendenz zur Urne, und beispielsweise Bestatter Holger Wolle aus Weyhe schätzt die Zunahme in den letzten 10 Jahren auf fast die Hälfte aller Bestattungen. In den letzten vier Jahren seien mehrere Kolumbarien entstanden, zum Teil in ganz oder teilweise aufgegebenen Kirchen. Hier stehen die Urnen in Fächern eines verschlossenen großen Schrankes.
Es gebe verstärkt den Wunsch, Natur und Friedhof zu verbinden, so die Referentin weiter. 50 Beisetzungswälder (der Firmen „Friedwald“ und „Ruheforst“) gebe es inzwischen in Deutschland, zumal zugleich die Bindung zwischen dem Bürger und seiner Kommune abnehme, also auch Menschen einen Beisetzungswald in größerer räumlicher Entfernung wählen.
Kuhle berichtete, dass Luther für den Protestantismus den Blickwechsel vollzogen habe, weg von den Toten und was man für sie tun kann hin zu den Angehörigen. Erst seit 150 Jahren gebe es Einzelgräber auf Friedhöfen; davor wurden Reiche in der Kirche und die anderen im Kirchhof neben der Kirche bestattet. Im 19. Jahrhundert wollten viele Begüterte mit ihren großen Grabmalen protzen, was im letzten Jahrhundert zu einer gegenläufigen Reformbewegung führte, auch unter den Eindruck von einheitlicher Grabgestaltung in den Herrenhuter Brüdergemeinden und dem Leitgedanken „Im Tod sind alle gleich“. Viele Gestaltungsvorschriften stammten aus der Zeit dieser Reformbewegung, werden von manchen Friedhofsnutzern heute aber als Gängelung empfunden, so Kuhle weiter. Während lange glänzende Grabplatten verpönt waren, werden kleinere Metallplaketten wieder mehr nachgefragt.
Während früher die Gräber alle nach Osten ausgerichtet waren, würden jetzt vielerorts an Hauptwegen die Gräber dem Weg zugewandt, unabhängig von der Himmelsrichtung. Der Sozialbezug mit der Grabstelle nehme eher ab; aber gelegentlich fänden sich da andere Gemeinschaften – so habe ein Kegelclub eine Gemeinschaftsgrabstelle sich errichten lassen.
In „gemischten Arbeitsgruppen“ mit Bestattern und Pastoren gab es einen angeregten Gedankenaustausch. Beklagt wurde, dass immer mehr Menschen nicht mehr den Ablauf einer Trauerfeier kennen und unsicher sind, und kaum passende Lieder wüssten. Aussegnungen aus dem Haus werden weniger nachgefragt, dafür Trauerfeiern im kleinen Kreis zunehmend gewünscht bis dahin, das trotz vorhandener Angehöriger niemand erscheint.
Die Konferenz wünschte sich eine Verständigung über den Grundstandard einer christlichen Trauerfeier und mit den Sozialämtern, was eine ortsübliche Trauerfeier für Sozialbestattungen umfassen sollte. Superintendent Schröder freute sich über die intensiven Gespräche in den „oft vertrauten Partnerschaften zwischen Pastoren und Bestattern“.
Gunnar Schulz-Achelis