„Es ist ein bisschen wie Vereinte Nationen“ sagt Imke Guse aus Leeste. Die 37-jährige Kirchenvorsteherin war in Stuttgart bei der Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes und kehrte am Mittwoch zurück. Die Delegierte der Hannoverschen Landeskirche erlebte ein dichtgepackte Tagungsprogramm, auch Streit um die Rolle von Frauen in der evangelisch-lutherische Kirche und ein Ringen um die großen globalen Zukunftsfragen wie Nahrungsmittelsicherheit und CO²-Ausstoß.
Der einwöchige Gipfel stand unter dem Motto der Vater-unser-Bitte „Unser täglich Brot gib uns heute“. So berichtete bewegend eine Delegierte aus Papua Neuguinea, dass ihr Land bei steigendem Meeresspiegel zum Teil untergehen wird. Eine Norwegerin machte deutlich, was die Polkappenschmelze für ihr Volk der Samen in Nordnorwegen bedeutet.
Als „ergreifend“ erlebte die Leesterin die morgendliche Gottesdienste zum Tagesthema, den mal Theologen aus Asien, mal aus Skandinavien oder Afrika gestalten. Die 500 Delegierte baten stehend oder viele jüngere - wie Imke Guse - sogar knieend die im 16. Jahrhundert auch von Lutheranern arg verfolgten Mennoiten um Vergebung. In einer großen Versöhnungsgeste und im Rahmen eines Bußgottesdienstes nahmen die Nachfahren der Täuferbewegung dies auch an. „Da waren auch mehrere Bischöfe den Tränen nah“ erinnert sich Guse.
Sie ist als eine von über 10 Delegierten der Hannoverschen Landeskirche in Stuttgart – neben den Jugenddelegierten die einzige Nichttheologin. Neben Bischofsvikar Hans-Hermann Jantzen und viele anderen Theologen diskutiert sie über den Zukunftskurs der lutherischen Kirche in der Welt mit und wählte den neuen Präsidenten Bischof Munib A. Younan aus Jerusalem.
Die Rolle der Frauen in der lutherischen Kirche spielte immer wieder eine Rolle. An einem Tag blieben alle Frauen der Plenumssitzung zunächst demonstrativ fern, um dann singend einzuziehen und auf ihre tragende Rolle hinzuweisen. Einige schwarzafrikanische Delegierte fanden dagegen die Diskussion um eine Stärkung der Frauen „ein antibiblisches Thema“. Auch einige osteuropäische Kirchenführer wandten sich gegen die Ordination von Frauen, also dass Frauen Pastorinnen werden dürfen. Auch bei der Homosexualität gab es Differenzen in dem Stuttgarter Kongresszentrum.
Grundsätzlich verstand sich die große lutherische Familie, die alle 6 Jahre zu eine Vollversammlung zusammen kommt, aber gut und verständigt sich in den vier Sprachen deutsch, englisch, französisch und spanisch. Guse spricht sie alle und war auch schon Delegierte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bei dem größten und wichtigsten Treffen der 120 Kirchen in Europa im letzten Jahr in Lyon. Internationale Erfahrungen hatte die Leesterin schon 3 Jahre bei der Weltbank in Indonesien gesammelt. Die Teilnahme als stimmberechtigtes Vollmitglied an dieser Versammlung ist vorläufiger Höhepunkt eines einzigartigen Aufstiegs im kirchlichen Ehrenamt: Die Diplom-Sozialwirtin wurde im März 2006 in den Leester Kirchenvorstand berufen und im Oktober 2007 in die Landessynode der Hannoverschen Landeskirche gewählt.
Die dreijährige Tochter Marlene musste auf die Mama verzichten und wurde von beiden Omas und dem Papa betreut, damit die junge ehrenamtliche Kirchendiplomatin auf internationalem Parkett ihre Hannoversche Heimatkirche - die größte evangelische Landeskirche in Deutschland - vertreten konnte.
Gunnar Schulz-Achelis