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Stress erleben und verarbeiten

Nachricht Leeste, 08. Juni 2010

Ob Unfall, Feuer öder plötzlicher Tod, wenn die Rettungsleitstelle Diepholz anruft, wird's meist Ernst. Dann ist ein Unglück geschehen und die Retter vor Ort haben für Betroffene oder Angehörige einen Notfallseelsorger angefordert. Am vergangenen Freitag gab es für  18 Pastorinnen und Pastoren, und eine Sozialarbeiterin im evangelischen Kirchenkreis Syke-Hoya eine Fortbildung im Leester Gemeindehaus zu dem schwierigen Thema.

Eine ständige Tag- und Nachtbereitschaft wird im Kirchenkreis durch ein Handy sichergestellt. Doch zunächst versucht die Leitstelle immer das örtliche Pfarramt zu erreichen. So betrifft Notfallseelsorge alle Pastorinnen und Pastoren.

Pastor Ele Brusermann, der als Kirchenkreisbeauftragter für die Koordination der Notfallseelsorge zuständig ist, hatte Ludger Pietruschka, katholischer Pastoralreferent, Krankenhausseelsorger aus Nordhorn und Ausbilder in der Notfallseelsorge, eingeladen. Der hatte die Teilnehmenden gleich zu Anfang gewarnt: "Das wird ein harter Tag, kein lockeres Seminar, sondern eine `Druckbetankung´."

Er verdeutlichte anschaulich, was im menschlichen Gehirn in Stresssituationen geschieht, wie Menschen körperlich reagieren und wie sich darum Seelsorge und Notfallseelsorge unterscheiden. "Jede unnormale Reaktion auf ein unnormales Ereignis ist normal. Das ist schon fast so etwas wie das Credo der Notfallseelsorge!" Wem ein Unglück die Sprache verschlägt, wer außer sich gerät oder den Boden unter den Füßen verliert, braucht eine besondere Zuwendung, damit das Geschehene begreifbar wird, später verarbeitet werden kann.

Bis das soziale Netz der Familie, der Freunde oder Nachbarschaft greift, können Notfallseelsorgende hier eine spezielle Erste Hilfe für die Seele leisten. Weil in der Belastung oft die Selbstwahrnehmung und Eigenkontrolle ausfällt, geht es zuerst um den Schutz der Person, eine Sicherheit und Ruhe gebende Begleitung, ein Vertrauen und schaffendes Mitfühlen, so der Referent. Manchmal müsse dann der Notfallseelsorger in einer hektischen Situation Raum und Zeit für einen ruhigen Abschied sorgen.

Was geschieht und geschehen muss und lässt sich wie eine innere Uhr darstellen, einen Einsatz-Algorithmus, der eingeübt werden muss.  Denn wie die Rettungskräfte erleben auch die Seelsorgenden selbst den Stress der Unglückssituation. Richtiges Reagieren sei einem nicht gegeben, es gehe nicht nur um menschliches, sondern auch bewusst professionelles Handeln, so der Ausbilder weiter.

Wie strukturierte Nachgespräche aller beteiligten Helfer die eigenen Belastungen abbauen können, gehörte daher auch zur Fortbildung. Denn wer nicht lernt traumatische Eindrücke richtig zu verarbeiten, droht ernsthaft zu erkranken, kann eine posttraumatische Belastungsstörung entwickeln.

Eine gute Ausbildung hilft nicht nur das Richtige zu tun, sondern auch gesund zu bleiben. Wer sich über seine Aufgabe und Rolle klar ist, kann eher Persönliches aus der Situation heraushalten.

Pietruschka sorgte auch immer wieder mit erheiternden Karikaturen für kurze Pausen und schloss das Seminar mit einem kurzen Gebet, mit dem er selbst in jeden Einsatz fährt und das von Pater Mychael Judge stammt, der als Feuerwehrseelsorger mit über 300 Kameraden am 11. September 2001 beim Einsturz der Türme des World Trade Centers in New York gestorben ist:

"Herr, nimm mich dahin, wohin ich gehen soll, lass mich die treffen, die ich treffen soll, sage mir, was ich sagen soll und lass mich dir nicht im Wege stehen. Amen"

Ele Brusermann