Dr. Daniela Tausch-Flammer sprach über Trauer / 90 Zuhörer
Harpstedt - (ck) Viel Privates gab Dr. Daniela Tausch-Flammer am Freitagabend im Alten Pfarrhaus in Harpstedt von sich preis. Als 21-Jährige verlor sie die Mutter, während ihres Studiums starb die Schwester, und ihr erster Mann erlag einer Hirnblutung.
Die Referentin aus Bremen sprach also nicht nur als Diplom-Psychologin und Autorin vieler Fachbücher vor 90 Zuhörern über „Trauer als ein Weg zur Heilung“, sondern vor allem als Mensch mit reichlich eigener Erfahrung.
Anke Scheele freute sich über das große Besucherinteresses, als sie die Gäste im Namen des Kirchenkreises begrüßte: „Mit einer solchen Resonanz hatten wir nicht gerechnet.“
Ehe sie die Experten ans Rednerpult bat, stimmten Sopranistin Elisabeth Kukolka und Katharina Hoffmann am Klavier dem Anlass entsprechend auf den Abend ein. Auch Dr. Daniela Tausch-Flammer überraschten die voll besetzten Stuhlreihen.
Dies sei bei einem derartigen Thema nicht selbstverständlich, denn „wir sind eine Gesellschaft, die zu wenig Trauer zulässt, sie verdrängt, aber dafür zu depressiv ist“.
Drei Thesen nannte die Sterbeforscherin zu Beginn. Erstens: „Als Begleiter von Trauernden sollten Sie Ihr Herz nicht mit Ratschlägen, aber mit viel Geduld füllen.“ Sie selbst wollte nicht an der Stelle ihrer Freunde sein, die ihr damals zur Seite standen und ihre Gefühlsausbrüche zwischen Wut und Verzweiflung aushielten. Zuhören sei oft wichtiger als das Beraten.
Damit kam sie zu Punkt zwei: „Haben Sie den Mut, Ihren eigenen Weg zu trauern.“ Extreme Reaktionen in der einen oder anderen Richtung seien normal. Denn – und somit drittens: „Es gibt kein richtiges oder falsches Trauern.“ Als Beispiele nannte die Psychologin eine Patientin, die nach dem Verlust ihres Mannes nie wieder eine Partnerschaft eingehen wollte, um einen derartigen Schmerz nicht mehr erleben zu müssen. Eine andere Witwe habe durch dieses Schicksal erst wieder Mut für ein neues Leben gefasst.
Todesfälle im Freundes- und Familienkreis könnten auch Beziehungen auf eine Bewährungsprobe stellen: „Wir gehen in eine Partnerschaft mit dem Ziel, uns in schwierigen Zeiten zu unterstützen. Aber lassen Sie Ihren Partner ein Stück seiner Trauer ruhig allein gehen.“
Zudem beleuchtete die Fachfrau auch Formen des Abschiednehmens – und sah dabei selbst das Fotografieren von Verstorbenen nicht als pietätlos an: „Für manche Angehörige ist es ein Trost, wenn sie auf dem Foto einen gelösten Gesichtsausdruck sehen, der vorher durch langes Leid gezeichnet war.“ Auch Kindern könne dies über den Schmerz hinweg helfen. Ohnehin warnte Dr. Daniela Tausch-Flammer dringend davor, Kindern den Abschied zu verwehren, wenn es auch gut gemeint sei: „Kinder sind von Natur aus neugierig. Wenn sie eine Woche lang zur Tante geschickt werden und die Mutter danach nicht mehr da ist, wirken die offenen Fragen viel belastender.“
„Die Zeit heilt alle Wunden“ – dem wollte die Referentin nicht widersprechen. Niemand könne allerdings die Frist festlegen: Das weithin bekannte ,Trauerjahr‘ reiche jedenfalls nicht. Und manchmal ebenso wenig die in Studien ermittelten acht Jahre, bis jemand angeblich „drüber hinweg ist“.
Kreiszeitung